Beim Thema Altersvorsorge haben sich bislang alle Regierungen blamiert. Schlimmstes Beispiel ist die Riester-Rente. Doch statt sie zu ersetzen, empfehlen die Autoren einer aktuellen Studie, das Instrument zu reformieren.
04.07.2019 | 08:00 Uhr
Kaum zu glauben: Die Riester-Rente ist bereits 17 Jahre alt. Das Instrument gilt unter Experten als rundum misslungener Versuch, die viel beschworene Rentenlücke zu schließen. Und auch die Anleger sind nicht für das viel zu komplizierte und renditeschwache Instrument zu begeistern. Es hat sich deshalb niemals in der Breite durchgesetzt. Die Zahl der Riester-Verträge stagniert seit Jahren, im vergangen Jahr war sie sogar rückläufig. Viele Riester-Verträge sind mittlerweile beitragsfrei gestellt.
Nach 17 Jahren darf man deshalb feststellen: Die Riester-Rente ist gescheitert. Eigentlich. Doch das wollen nicht alle in der Finanzbranche wahr haben. Offensichtlich ist man gewillt, das verkorkste Altersvorsorge-Instrument wiederzubeleben, anstatt es abzuschaffen und durch ein besseres zu ersetzen.
Aufrüsten statt Abwracken: Unter diesem Motto hat die Fondsgesellschaft DWS Group gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Altersvorsorge eine Studie angestoßen, die zeigen soll, wie man Riester doch noch retten kann. Studienautoren sind Wissenschaftler des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). Nun wurden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die Riester-Rente alle Bevölkerungsgruppen, insbesondere niedrige und mittlere Einkommensgruppen, erreiche. Frauen würden sogar überproportional angesprochen. „Die Riester-Rente liefert gute Renditen und ist weiter verbreitet als andere Vorsorgeformen“, sagte Professor Michael Hauer, Geschäftsführer des IVFP bei der Präsentation.
Die Daten, die die Forscher präsentieren, sollen belegen, dass Riestern sich lohnt: Aus der anonymisierten Auswertung von rund 23.500 Verträgen errechnet das IVFP jährlich den Riester-Rendite-Index. Dieser ergibt für das Jahr 2018 eine Rendite von 3,4 Prozent nach Kosten und Steuern. Außerdem errechneten die Forscher, dass die Netto-Rentenleistung nach Steuern die Netto-Einzahlungen im Alter von 78 Jahren übersteigt. Im Kollektiv der untersuchten Verträge erreichen die Riester-Rentenempfänger also etwa nach 14 Jahren die Gewinnzone. Aufgrund einer unterstellten Lebenserwartung von 86 Jahren folgen dann durchschnittlich acht weitere Jahre Rentenbezug.
Was die Studie nicht erwähnt: Gerade Menschen mit wenig Einkommen, für die die Riester-Rente ja entworfen wurde, erreichen laut einer aktuellen Studie der Max-Planck-Gesellschaft nur die wenigsten den 80. Geburtstag. Mit anderen Worten: Für viele Riester-Sparer ist das Instrument ein Minus-Geschäft. Zu dem Ergebnis kommt auch der Bund der Versicherten, der in einer detaillierten Analyse nachgewiesen hat, dass es sinnvoller ist, das Geld unters Kopfkissen zu legen, als eine Riester-Versicherung abzuschließen (siehe FundResearch am 3.5.2019).
Immerhin: Wie viele Verbände sehen auch die von der DWS beauftragten Forscher dringenden Reformbedarf. So sei es nach wie vor komplex, zu bestimmen, wer unmittelbar berechtigt ist, die staatlichen Zuschüsse und Steuervorteile zu erhalten. Die Ausgestaltung der Fördersystematik und die laufende Verwaltung von Riester-Verträgen müssten laut den Ergebnissen der Studie deutlich vereinfacht werden. Ebenso sollte die obligatorische Beitragsgarantie flexibilisiert werden und den Kunden die Wahlmöglichkeit gegeben werden, in chancenreichere Produkte zu investieren. Nach wie vor gäbe es aufgrund der verpflichtenden Beitragsgarantie eine viel zu geringe Tarifauswahl und -vielfalt in der Riester-Rente.
Als Lösung schlagen die Studienautoren die Abschaffung von unmittelbarer und mittelbarer Förderung. Wer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig oder sozialversichert sei, soll stattdessen förderberechtigt sein und neben den Grund- und Kinderzulagen eine Förderung von mindestens 50 Prozent auf jeden Euro Eigenleistung erhalten. Diese würde die bisherige Steuerförderung ersetzen und dann in die Verträge fließen, statt auf das Girokonto.
„Wir fordern Riester für alle, mehr Klarheit und weniger Bürokratie. Durch die Reformvorschläge könnte ein erheblicher zusätzlicher Betrag jedes Jahr in die Riester-Rente fließen, der heute schlichtweg nicht abgerufen oder als Steuergutschrift auf das Girokonto fehlgeleitet wird“, sagt Frank Breiting, Leiter private Altersvorsorge der DWS Group. Im Ergebnis sollten sich die zukünftigen Renten je nach Einkommensgruppe zwischen 30 und 38 Prozent erhöhen. Die Ausweitung der Riester-Rente auf alle unbeschränkt Steuerpflichtigen und die ungekürzte Zahlung der vollen Kinderzulage ab 60€ Eigenleistung könnte die Rückforderungen von Zulagen weitgehend verhindern.
Fazit: Denkt man Breitings Forderung zu Ende, würde das bedeuten, dass der Staat noch tiefer in die Tasche greifen soll, um das Riester-Sparen zu retten. Das Problem dabei: Würde „Riester für alle“ in dieser Form verbindlich werden, würden die Beitragszahler über ihre Steuern ihre eigene „staatliche“ Förderung bezahlen. Unterm Strich erinnert das an die Geschichte des Mannes, der sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zog.
Die Studie steht auf der DIA-Homepage zum Download zur Verfügung.
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