Am Donnerstag wählt Großbritannien ein neues Parlament. Umfragen zufolge könnten die Tories einen klaren Sieg davontragen und damit den Brexit besiegeln. Worauf sich Fondsmanager einstellen sollten – und warum sie Großbritanniens Austritt aus der EU nicht fürchten müssen.
10.12.2019 | 15:14 Uhr von «Alexandra Jegers»
Die Briten wählen ein neues Parlament. Am Donnerstag entscheiden sie darüber, wer der nächste Premierminister sein soll. Anders als bei vielen anderen Wahlen geht es diesmal um eine grundlegende Weichenstellung, deren Folgen weit über die Dauer der Legislaturperiode hinaus spürbar sein werden: den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Gewinnt der Tories-Kandidat Boris Johnson, wird er den Brexit Ende Januar wie geplant durchziehen. Verfehlt er die Mehrheit, wäre die oppositionelle Labour-Partei im Vorteil. Labour-Chef Jeremy Corbyn will ein eigenes Brexit-Abkommen aushandeln und es den Briten in einem zweiten Referendum vorlegen. Dabei wäre eventuell sogar der Verbleib in der EU denkbar.
Umfragen machen jedoch wenig Hoffnung auf ein Patt oder gar einen Sieg der Opposition. Die jüngste Prognose des Meinungsforschungsinstituts Yougov sagt der konservativen Partei einen Vorsprung von neun Punkten gegenüber Labour voraus. Andere Umfragen prognostizieren Johnson gar einen Wahlsieg von zehn Punkten und mehr. Dann hätten die Tories im britischen Unterhaus eine Mehrheit von mindestens 20 Sitzen – was einen Brexit zur wahrscheinlichsten Option macht.
Berater brauchen dieses Szenario nicht zu fürchten. Denn die Kapitalmärkte stellen sich zunehmend auf einen konservativen Parlamentswahlsieg ein, beobachtet Peter Kinsella, Anlagestratege bei der Vermögensverwaltung Union Bancaire Privée (UBP). An den Devisenmärkten sei ein Austritt der Briten aus der EU längst eingepreist, sagt er. Das Pfund Sterling, seit jeher ein Seismograph für die Brexit-Angst der Anleger, hat sich zuletzt sogar erholt und gegenüber dem US-Dollar aufgewertet.
Die größte Herausforderung für Investoren liegt dem Anlageprofi zufolge weniger in der Frage, wie und ob der Brexit kommt und was dieses Ereignis für das eigene Portfolio bedeutet, sondern vielmehr im richtigen Umgang mit dem Ungewissen. „Ereignisse wie der Brexit lähmen“, sagt Kinsella. Investoren sehnen sich nach Sicherheit. Deshalb reagieren sie entweder gar nicht oder verkaufen Anlagen, die sie für zu riskant halten. Dadurch verpassen sie wertvolle Chancen.
Anlagechancen gibt es in Großbritannien, Brexit hin oder her, nach wie vor reichlich. James de Bunsen, Fondsmanager beim britischen Vermögensverwalter Janus Henderson, empfiehlt Aktien kleiner und mittlerer Unternehmen mit starkem nationalem Fokus. Für den Fall eines Wahlsieges hat Johnson nämlich eine Reihe von Steuererleichterungen in Aussicht gestellt, von denen solche Unternehmen nach Einschätzung des Experten besonders profitieren würden. Zuletzt wurden kleine und mittelgroße Unternehmen von Investoren im Zuge der Brexit-Querelen zudem vergleichsweise hart abgestraft. Das Aufholpotenzial sei daher ungleich höher als bei Großkonzernen, sagt de Bunsen.
Auch bei britischen Staatsanleihen wittert der Experte Chancen für einen günstigen Einstieg. Zwar hätten sowohl Labour als auch Tories angekündigt, bei einem Wahlsieg kräftig in die heimische Wirtschaft zu investieren, was Großbritanniens Schulden in die Höhe treiben dürfte. Britische Staatsanleihen, die sogenannten Gilts, dürfte das aber nur kurzzeitig nach unten drücken. Auf lange Sicht wird das Bedürfnis der Anleger nach einem sicheren Hafen überwiegen, ist der Anlageprofi überzeugt.
Diesen Beitrag teilen: