Der Abwärtstrend ist eindeutig: Im Jahr 2004 gab es noch 108
bei der Bafin registrierte Lebensversicherungsunternehmen (LVU), Ende 2021
waren es 25 Prozent weniger. Dies berichtet die GAC – Gesellschaft für
Analyse und Consulting mbH in einem aktuellen Branchenreport. „Zahlreiche noch
aktive Gesellschaften haben darüber hinaus in den letzten Jahren das
Neugeschäft aufgegeben, einige haben gleich ihre kompletten Bestände an
Run-off-Gesellschaften verkauft“, sagt Manfred Mönch, Gründer und
Geschäftsführer der GAC, der seit Jahren die Bilanzen von Lebensversicherern
und Pensionskassen unter die Lupe nimmt. Durch diese Asset-Transfers seien inzwischen
neue Versicherungsgruppen mit beachtlichen Anlagevolumina entstanden.
Verträge im Sinkflug
Dennoch nimmt die Zahl der LV-Verträge weiter ab. 2004 wurde
mit 95 Millionen Policen die Spitze erreicht, 2021 zählte die GAC nur noch rund
82 Millionen Verträge – ein Rückgang um fast 15 Prozent. Doch noch immer
fließen Milliarden in die Policen. So leisteten 2021 die Versicherten Beiträge
von fast 100 Milliarden Euro.
Das Kapital der LVU ist nach GAC-Berechnungen in den letzten
zehn Jahren um fast die Hälfte gewachsen. Das Anlagevermögen der LVU summiert
sich auf mehr als eine Billion Euro allein in der klassischen
Lebensversicherung. Hinzu kommen mehr als 170 Milliarden Euro in
fondsgebundenen Verträgen. Und obwohl die Zahl der Unternehmen zurückgeht, wächst
das von ihnen verwaltete Vermögen weiter. 2021 ist das Volumen der klassischen
Lebensversicherung um knapp drei Prozent und das der fondsgebundenen
Lebensversicherung um mehr als 30 Prozent angestiegen. Bis auf Weiteres bleiben
deshalb die LVU bedeutende Akteure am Kapitalmarkt.
Deutliche Veränderungen registriert die GAC auch bei der
Anlagestrategie der Vorsorgeeinrichtungen. Der Anleiheanteil betrug bei den LVU
Ende 2021 kapitalgewichtet 72,5 Prozent. Dazu kommen rund sieben Prozent
Hypothekendarlehen. Insgesamt bestehe jedoch seit einigen Jahren ein Trend weg
von direkten Rentenanlagen hin zu indirekten Anlagen, stellt GAC-Chef Mönch
fest. Der direkte Rentenbestand sei in den vergangenen Jahren von fast 60 auf
rund 41 Prozent abgeschmolzen, der Anteil der Investmentanteile hingegen von
gut 25 auf über 41 Prozent angestiegen. Allein 2021 seien die Investmentanteile
um rund 20 Milliarden Euro gewachsen.
Die Quote für die Rentendirektanlage schwankt je nach LVU
zwischen zwei und 91 Prozent, der Anteil indirekter Rentenanlagen reicht
von null bis fast 100 Prozent. Rentenfonds dienen hier häufig der
Diversifikation in Assetklassen wie High-Yield-, Wandel- oder
Emerging-Markets-Bonds. Insgesamt betrug das Neuanlagevolumen aller LVU 2021
mehr als 150 Milliarden Euro.
Die Aktienquote der LVU war in den Jahren 2008/09 deutlich
gesunken und wurde nur langsam und individuell wieder ausgebaut. 2021 erreichte
das Exposure knapp sechs Prozent, wobei mehr als jedes fünfte LVU kein
nennenswertes Aktien-Exposure aufwies (unter einem Prozent). Der überwiegende
Teil der Aktieninvestments wird über Fonds abgebildet.
Eine ähnlich hohe Quote von knapp sieben Prozent weist der
Bereich Immobilien auf. Insbesondere der Anteil indirekter Anlagen über
Immobilienfonds hat in den letzten Jahren zugenommen. Deutlich zugelegt hat
auch die Relevanz von Alternatives, deren Anteil ebenfalls auf knapp sieben
Prozent angestiegen ist. Nach Mönchs Beobachtung haben insbesondere Private
Equity und Infrastruktur sowie zunehmend Debt-Investments weite Verbreitung
gefunden.
Reserven schwinden
Trotz anhaltendem Niedrigzinsumfeld erzielten LVU 2012 bis
2017 Nettorenditen von rund 4,5 Prozent, berechnete die GAC. Das lag vor allem
daran, dass sie seit 2012 zunehmend stille Reserven aufdecken mussten, um die
Bildung der Zinszusatzreserve zu finanzieren. Aufgrund der Änderung der
Methodik zur Berechnung der Reserve (Korridor) hat der Bedarf zur Aufstockung
ab 2018 nachgelassen und sich das Niveau der Nettoverzinsung normalisiert. 2021
lag der gleichgewichtete Wert mit 3,5 Prozent (kapitalgewichtet
3,6 Prozent, Median 3,5 Prozent) leicht unter dem Vorjahr.
Aufgrund der leicht gestiegenen Zinsen war 2021 alles in
allem ein schwieriges Anlagejahr. So sind die stillen Reserven 2021 um mehr als
ein Viertel gesunken. Im Schnitt mussten LVU deshalb eine negative
Marktwertrendite von -1,7 Prozent ausweisen (Median -2,2 Prozent; Vorjahr 5,7
Prozent, Median 5,5 Prozent). Bei LVU sind die Ergebnisse stark von der hohen
Anleihegewichtung und der in den letzten Jahren teilweise deutlich erhöhten
Duration geprägt. So erklärt sich das zum Teil sehr gute Ergebnis im Umfeld
sinkender Zinsen in den Jahren 2012, 2014 und 2019 sowie das schwache Ergebnis
der Jahre 2013, 2015 und 2021, als die Zinsen leicht anstiegen.
Seit 2011 sind LVU verpflichtet, eine Zinszusatzreserve zu
bilden. 2018 wurde die Berechnungsmethode (Korridor) angepasst, sodass sich der
Referenzzinssatz langsamer verringert. 2021 war bei einem Referenzsatz von 1,57
Prozent eine Aufstockung von zehn Milliarden Euro notwendig.
Bilanz der Pensionskassen
Etwas heller ist das Bild bei den Pensionskassen. Vor allem
durch die Neugründung von Wettbewerbs-Pensionskassen (WPK) durch
Versicherungsgesellschaften steigt die Zahl der Kassen seit dem Jahr 2000,
sodass Ende 2021 bei der Bafin 131 Pensionskassen mit Geschäftstätigkeit
registriert waren. Insgesamt 40 Pensionskassen standen jedoch Ende 2021 unter
intensiver Beobachtung der Bafin.
Die Zahl der Rentenanwärter ist 2021 um knapp zwei Prozent
auf rund 8,6 Millionen gestiegen. „Während sich die WPK teilweise wieder aus
dem Markt zurückziehen und deren Anwärterzahl weiter geschrumpft ist, wachsen
Betriebspensionskassen in Summe noch“, berichtet Mönch. Dennoch habe schon mehr
als die Hälfte der Betriebspensionskassen (BPK) den Rückwärtsgang eingelegt.
Die Zahl der Rentenempfänger ist um knapp zwei Prozent auf fast 1,5 Millionen
Personen gestiegen, das Beitragsvolumen ist 2021 um fast vier Prozent auf 6,6
Milliarden Euro gesunken. Die Leistungen sind um fast fünf Prozent auf rund 5,8
Milliarden Euro angestiegen.
Das Kapitalanlagevolumen der Pensionskassen ist nach
GAC-Berechnungen 2021 um mehr als acht Milliarden Euro auf rund 195 Milliarden
Euro gewachsen. Davon entfielen 51 Milliarden auf die WPK, die wiederum rund
zwei Milliarden Euro in fondsgebundenen Verträgen verwalten. Das
Neuanlagevolumen aller Kassen betrug 2021 mehr als 30 Milliarden Euro.
Trend zu Fondsanlagen
Der GAC-Bericht zeigt auch: Die Asset Allocation
insbesondere der BPK wandelt sich seit der Finanzkrise. So ist der Anteil
direkter Rentenanlagen seit 2009 von 67 auf 37 Prozent der Gesamtmittel
gesunken, während indirekte Fondsanlagen inzwischen mehr als 55 Prozent
ausmachen. Zeitverzögert finde dieser Prozess auch bei WPK statt. Bei diesen
sei der Anteil der Direktrenten von gut 80 Prozent auf 46 Prozent gesunken.
WPK haben insgesamt fast 84 Prozent ihrer Mittel in festverzinsliche
Anlagen investiert, der Rest verteilt sich auf Aktien, Immobilien und
Alternatives. BPK legen deutlich diversifizierter an. Insgesamt seien rund 68
Prozent ihrer Mittel in Festverzinsliche investiert, elf Prozent in Aktien und
zwölf Prozent in Immobilien. Auch der Trend zu Alternativen Investments wie
Private Equity und Private Debt, erneuerbare Energien oder Infrastruktur setzte
sich fort. Alternative Investments kommen jetzt auf deutlich mehr als sieben
Prozent Anteil an der Gesamtallokation.
Die Nettoverzinsung der erfassten Pensionskassen mit einem
Mindestanlagevolumen von 100 Millionen Euro lag 2021 im gleichgewichteten
Durchschnitt bei 3,6 Prozent und damit leicht über dem Vorjahr (3,3
Prozent). Die stillen Reserven haben 2021 über alle Kassen um mehr als ein
Zehntel abgenommen. Entsprechend fiel die Marktwertrendite mit durchschnittlich
ein bis zwei Prozent (Vorjahr 4,5) eher gering aus. WPK wiesen aufgrund ihrer
hohen Bondgewichtung bei häufig ausgedehnter Duration flächendeckend eine negative
Rendite aus (Median -3,0 Prozent). Bei den zumeist breiter streuenden BPK lag
der Wert hingegen überwiegend im positiven Bereich (Median +2,6 Prozent).
„Die Auswirkungen des gesunkenen Zinsniveaus in den letzten
Jahren erkennt man am deutlichsten an der laufenden Durchschnittsverzinsung
nach der GDV-Methode“, berichtet Mönch. Bei Pensionskassen habe sich die
Durchschnittsverzinsung seit 2008 im Schnitt auf rund 2,5 Prozent nahezu
halbiert, bei LVU lag sie zuletzt bei 2,4 Prozent.
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