Zoltan Schaumburger, Teamchef von Dolphinvest Capital, äußert sich zu seiner Mannschaft und was in nächster Zeit an den Börsen zu erwarten ist.
17.09.2024 | 14:00 Uhr von «Jörn Kränicke»
TiAM FundResearch: Die Korrektur war zwischenzeitlich deutlich. Ist sie schon vorüber oder kommt das Schlimmste noch?
Zoltan Schaumburger: Der plötzliche Aktienkursverfall in Japan und die jüngsten schwachen US-Arbeitsmarktberichte schürten Rezessionsängste und ermöglichten die sog. „Wall of Worry“ in der Wahrnehmung der Investoren aufzubauen. Nach einem verbalen, dovischen Zurückrudern der japanischen Notenbank und erst recht nach Powells Rede wurde aber klar, dass die Zentralbanken und insbesondere auch die Fed nun „anything we can“, also alles in ihrer Macht stehende unternehmen werden, um jeder wirtschaftlichen Schwäche entgegenzusteuern. Der Rückenwind von Seiten der Zentralbanken ist derzeit gegeben und weitere Allzeithochs sollten nicht überraschen.
Haben Techwerte erst einmal ihre beste Zeit gesehen und Value erlebt eine Renaissance?
Der bereits seit Oktober 2022 laufende Bullenmarkt, der in der Anfangsphase insbesondere von Schwergewichten aus dem Technologie-Sektor dominiert war, verbreitet sich zunehmend. Zahlreiche Werte aus dem Small-Cap-Segment konnten in den vergangenen Monaten außerordentlich zulegen, während einige große Schwergewichte im Markt erhöhter Volatilität ausgesetzt waren. Im Kontext des reifer werdenden Bullenmarktes wäre eine weitere Verbreiterung der Rallye auf verschiedene Faktoren bzw. Marktsegmente keine Überraschung: Large- & Small Caps, Value und Growth könnten in den kommenden Monaten gleichermaßen zulegen.
Erwarten Sie, dass die Zentralbanken nun kräftig die Zinsen senken?
Die Aussagen von Jerome Powell in Jackson Hole waren eindeutig: „The time has come for policy to adjust“. Somit ist klar: Im September wird auch in den USA mit dem ersten Zinssenkungsschritt die Zinswende eingeläutet – ein neuer US-Zinssenkungszyklus beginnt. Nach Aussagen des Zentralbankchefs wird die Fed nun „anything we can“, also alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um jeder wirtschaftlichen Schwäche entgegenzusteuern.
Im Gegensatz dazu scheint die EZB bereits weit hinter der Kurve zu sein: Die jüngst veröffentlichte Inflationszahl der Eurozone liegt mit 2,2 % nahe des Inflationszieles. Aus deutscher Perspektive sind die Zinsen bereits zu restriktiv. Die Inflationsrate liegt hierzulande bei nur 1,9 %, das BIP-Wachstum des vergangenen Quartals ist negativ. Damit befindet sich Deutschland mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit bereits in der Rezession.
Während in den USA ein Soft-Landing-Szenario durchaus realistisch erscheint, mehren sich die Fragezeichen mit Blick auf die Eurozone: zu fragmentiert und schwach zeigt sich das Gesamtbild, zu träge und unentschlossen erscheint die EZB. Ein Hard Landing wird wahrscheinlicher.
Wie zufrieden sind Sie mit ihrer Mannschaft?
Die Mannschaft ist gemäß unseren Überzeugungen insbesondere in Technologiewerten, Small Caps und chinesischen Engagements positioniert. Die jüngst zu beobachtende Markverbreiterung in Richtung Small Caps stimmt zuversichtlich für die verbleibenden vier Monate. Engagements in China bleiben eine Wildcard: Ein schwacher USD sowie ebenfalls sinkende Zinsen in China und fiskalischer Stimulus könnten in Kombination mit der besonders pessimistischen Haltung gegenüber chinesischen Engagements und der entsprechenden Unterallokation der Marktteilnehmer erhöhtes Potenzial bieten.
Was erwarten Sie für das restliche Börsenjahr 2024 und für 2025?
Entscheidend ist die Aussage Jerome Powells „the direction of travel is clear“. Dies ermöglicht Marktteilnehmern mit Blick auf die kommenden Monate, einen robusteren Zinssenkungspfad in ihren Bewertungsmodellen einzuplanen, was zu erhöhten Bewertungen bzw. zu einem „Durchpreisen durch die Schwäche“ führen könnte.
Rückenwind durch die Fed, gepaart mit einer sich zwar abschwächenden, aber insgesamt robust erscheinenden US-Wirtschaft lässt ein Soft-Landing-Szenario durchaus realistisch erscheinen. Der seit Oktober 2022 bestehende Bullenmarkt ist reifer, bleibt aber intakt. Dennoch sollte eine unter der Oberfläche brodelnde Abschwächung der US-Wirtschaft mit Argusaugen beobachtet werden.
Zunehmend unsicherer wird das Umfeld in der Eurozone. Im Gegensatz zur Fed scheint die EZB bereits weit hinter der Kurve zu sein, denn das Wachstum in der Eurozone ist schwach und die jüngst erschienene Inflationszahl liegt mit 2,2 % bereits nahe des Inflationszieles. Aus deutscher Perspektive sind die Zinsen bereits zu restriktiv: Die Inflationsrate liegt hierzulande bei nur 1,9 %, das BIP-Wachstum des vergangenen Quartals ist negativ. Damit befindet sich Deutschland mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit bereits in der Rezession.
Zusammengefasst zeigt sich das europäische Gesamtbild zu fragmentiert und schwach, zu träge und unentschlossen erscheint die EZB – ein Hard Landing wird wahrscheinlicher und könnte die Märkte über das Jahresende hinaus beschäftigen.
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