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„Künstliche Intelligenz ist krisenfest “

Pablo Hess und Michael Günther
Interview

In Deutschland gibt es nur wenige Anbieter, die künstliche Intelligenz im Investmentmanagement einsetzen. Wir sprachen mit Pablo Hess und Michael Günther von Tungsten Investment Funds über den Stand der Dinge.

01.09.2020 | 12:20 Uhr von «Jörn Kränicke»

Herr Günther,viele Fondshäuser behaupten, künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen. Nur ein Marketing-Gag?

Michael Günther: Es ist offensichtlich, dass vielerorts Begriffe wie „maschinelles Lernen“, „Big Data“, „Datenstrategien“ und „Artificial Intelligence“ kursieren — oftmals, wie Sie sagen, als reine Marketing-Botschaften. Das Verwirrende daran: Es entsteht der Eindruck, die gesamte Fondsindustrie nutze bereits heute neueste Datenanalyse-Methoden samt selbst lernender Maschinen. Dies ist aber nicht der Fall. Viele Anbieter befinden sich noch in Beta-Phasen. Man kann Anlegern also nur raten, sehr genau darauf zu schauen, welche Wertbeiträge aus dem Hinzuziehen moderner Technologien denn konkret in Aussicht gestellt werden. Anleger tun gut daran, nicht allein wegen der Technologie in einen KI-basierten Fonds zu investieren, sondern weil sie von den damit verfolgten Anlagezielen überzeugt sind. Schlussendlich ist das kritische Gespräch mit dem Anbieter vermutlich nicht zu ersetzen.

Kann KI Kursstürze wie im März vorher­sehen beziehungsweise wann merkt sie, dass es ein Bärenmarkt ist?

Pablo Hess: Unsere KI-Strategie, die von steigenden als auch fallenden Kursbewegungen profitieren kann, reagierte auf die skizzierte Marktsituation rational, flexibel, ohne emotionale Befangenheit und erwirtschaftete ein Plus von fünf Prozent. Die KI hat, basierend auf den Hunderttausenden von Messpunkten, mit denen sie täglich gespeist wird, den Richtungswechsel im März erfolgreich gelesen beziehungs­weise antizipiert. Sie ist imstande, eine ­andere Perspektive auf die Märkte zu geben — und damit auch alternative Renditequellen zu identifizieren.

Haben Sie ein Beispiel? Wie verhält sich KI bei so hohen Volatilitäten wie im März?

Michael Günther: Was die KI vermag, ist nüchtern an Anlageentscheidungen heranzugehen. Damit können die Gefahren, die sich etwa aus dem Festhalten an einmal getroffenen Investmententscheidungen oder dem Ignorieren von Warnsignalen ergeben, ­etwas relativiert werden. Die positive Performance während des jüngsten Crashs ist überwiegend auf den frühzeitigen Aufbau von Short-Positionen in den Aktienmärkten bzw. vornehmlich europäischen und US-Aktienindex-Futures zurückzuführen. Noch ein Beispiel: Anfang August hat KI Short-Positionen in Staatsanleihen aufgebaut — zunächst in US-­Anleihen, in der Folge auch in anderen Staatsanleihen.

Solange auch Menschen am Kapitalmarkt aktiv sind, handeln sie oft irrational. Wie geht KI damit um?

Pablo Hess: Die aktuellen Unsicherheiten machen sicherlich noch anfälliger für emotionale Verhaltensweisen. Es gilt also, diesen „emotionalen Bias“ etwas unter Kontrolle zu bringen. Dies ist übrigens einer der wichtigsten Aspekte, den sich Anleger von KI in der Geldanlage versprechen. Wir ­haben dazu im letzten Jahr eine Umfrage gemacht. Anleger wünschen sich die Berücksichtigung größerer relevanter Datenquellen, dies sagten 70 Prozent, sowie die Verbesserung des Chance-Risiko-Verhältnisses (51 Prozent) und eben die Eliminierung emotionaler Einflüsse (43 Prozent).

Wird KI irgendwann den menschlichen Fondsmanager ersetzen?

Michael Günther: Die KI-Algorithmen spielen ihre Stärke in der Auswertung von Wahrscheinlichkeiten aus. Wir gehen davon aus, dass KI dem menschlichen Portfoliomanager künftig immer mehr zuarbeiten wird. Die Befürchtung, dass die Industrie schon bald nur von Maschinen dominiert wird, teilen wir nicht.
Inwieweit unterscheiden sich die Einschätzungen der Maschine von den menschlichen und wie unterscheidet sich ein KI-Portfolio von einem herkömmlichen?
MG: Historisch beruhen ja auch die „älteren“ quantitativen und trendfolgenden Fondsstrategien maßgeblich auf mathematisch-computerbasierten Modellen. KI-basierte Strategien zeichnen sich einerseits durch die Art der verwendeten Algorithmen aus, zum anderen durch die Datenmengen und — je nach Ansatz —durch die Art der Daten. Die Rechenleistung für KI-Signale kann den Aufwand eines herkömmlichen quantitativen Handelssignals mithin um das 100 000-Fache übersteigen. Außerdem gewährleistet KI eine objektivere Auswertung der Daten. Aktuelle Strömungen (Tech-Hype, Crash-Ängste usw.) kann sie mit weit zurückreichenden historischen Größen nüchtern verknüpfen. Sie hat in diesem Sinne ein untrügliches, objektives Erinnerungsvermögen.

Welche Unterschiede gibt es bei den bisher auf dem Markt befindlichen KI-Fonds?

Pablo Hess: Tatsächlich gibt es weltweit nach Schätzungen nur circa 30 bis 40 vollständig auf maschineller Intelligenz basierende Investmentfonds. Welche Daten diese Fonds jeweils nutzen, ist sehr unterschiedlich. Manche lesen etwa Twitter-Nachrichten aus oder News Feeds. Für unsere Zwecke denken wir hingegen, dass große Mengen an Finanzdaten, also unter anderem Preis- und Umsatzdaten, die höchsten Ansprüche erfüllen. Wir gehören zu den ersten Fonds, deren Handels­signale sich KI zu 100 Prozent zunutze ­machen. Dies bedingt auch, dass das Handelsmodell niemals statisch sein kann. Es wird regelmäßig mit neuen Daten gefüttert, lernt hinzu und ist dadurch fortlaufend aktuell. Die Mehrzahl der KI-gesteuerten oder -gestützten Fonds (in Deutschland und weltweit) sind nach unserer ­Beobachtung Aktienfonds mit Long-­only­-Ausrichtung. Als Multi-Asset Long/Short-Ansatz bilden wir eher eine Ausnahme.

Info:

Pablo Hess und Michael Günther haben zusammen die TRYCON-Strategie entwickelt. Sie forschen seit 20 Jahren am Themenfeld künstliche ­Intelligenz sowie an deren Anwendung auf die Finanzmärkte. In der Einbindung dieser Technologien bei ­Investment-Entscheidungen gehören sie zu den Pionieren in Deutschland.

Tungsten TRYCON AI Global Markets C
ISIN LU0451958309
Auflagedatum 01.02.2010
Perf. seit 01.01.2020 4,31%
Volumen 58,9 Millionen Euro
Jahresgebühr 1,84%
Agio 1,00%
Volatilität 1 Jahr 6,27%
Internet http://tungsten-funds.com/

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