Im Januar wurden steuerliche Vorauszahlungen für Fondsgewinne fällig. Viele Anleger hat das überrascht. Kein Wunder: Das Prozedere ist erklärungsbedürftig. Unser vereinfachter Vorabsteuerrechner am Ende des Artikels kann da helfen.
02.02.2024 | 07:30 Uhr
Viele Fondsanleger, die in diesen Januartagen einen Blick in ihr Wertpapierdepot geworfen haben, dürften bei einem bestimmten Abrechnungsposten ins Grübeln gekommen sein: Je nach depotführender Bank wurden Barbeträge abgebucht oder die Anzahl von Fondsanteilen reduziert, um Steuervorauszahlungen zu leisten. Genauer: Steuern auf die sogenannte Vorabpauschale. Für Anleger, die erst in den vergangenen zwei Jahren ein Wertpapierdepot eröffnet haben, ist das Thema komplett neu. Aber auch viele erfahrenere Anleger dürften die Vorabpauschale zwischenzeitlich verdrängt haben. Denn sie wurde in den zurückliegenden zwei Jahren aufgrund der niedrigen Zinsen ausgesetzt. Jetzt aber sind die Zinsen wieder gestiegen und die Steuervorauszahlung wird wieder fällig.
Die Vorabpauschale ist ein steuerliches Konzept, das zum ersten Mal seit 2019 im Rahmen der Besteuerung von Investmentfonds in Deutschland rückwirkend für 2018 Anwendung gefunden hat. Das Prinzip: Anleger, die in thesaurierende oder gering ausschüttende Fonds investieren, zahlen Steuern auf noch nicht realisierte Kursgewinne. Verkaufen sie später nach Jahren ihre Fondsanteile mit Gewinn, reduziert sich die dann zu zahlende Steuer darauf um den Betrag, der ihnen über die Jahre hinweg bereits als Vorauszahlung abgezogen wurde. Für den Staat hat dieses Vorgehen einen entscheidenden Vorteil: Durch die Vorauszahlung fließt regelmäßig mehr Geld ans Finanzamt. Das Geld steht der Regierung sofort unverzinst zur Verfügung. Der Staat muss nicht darauf warten, dass Anleger erst nach Jahren ihre Anteile mit Gewinn verkaufen und erst dann die fälligen Steuern zahlen. Gerade bei der steuerlichen Behandlung von Fondssparplänen, die über Jahrzehnte hinweg laufen, ist das aus Sicht des Staates relevant.
Wie sich die Steuervorauszahlung, die grundsätzlich zum Jahresanfang erhoben und von den Depotbanken automatisch ans Finanzamt überwiesen wird, errechnet, lässt sich am besten an einem konkreten Beispiel verdeutlichen. Um es nicht unnötig zu kompliziert zu machen, wird angenommen, dass es keine Verlustvorträge, keine Nicht-Veranlagungs-Bescheinigungen und keinen Freistellungsauftrag gibt. Zudem wird im Rechenbeispiel für das Paket aus Abgeltungsteuer und Kirchensteuer ein Gesamtsteuersatz von 26,375 Prozent angenommen.
Und so funktioniert die aktuelle Berechnung für 2023: Zunächst wird die zu versteuernde Vorabpauschale ermittelt. Dazu wird der Wert der Anlagesumme am Jahresanfang mit 70 Prozent des für 2023 gültigen Basiszinses multipliziert. Dieser Wert wird mit der Wertsteigerung des Fonds verglichen. Der niedrigere Wert der beiden Ergebnisse wird für die weitere Berechnung der Vorabpauschale verwendet. Ist die Jahresrendite des Fonds negativ, wird keine Steuervorauszahlung fällig.
Konkret in Zahlen: In den Jahren 2021 und 2022 war der Basiszins negativ. Dadurch entfielen die Pauschale und die Steuervorauszahlung. Für das Jahr 2023 beträgt der Basiszins nun 2,55 Prozent. Für eine Fondsposition, die am Jahresanfang 2023 genau 10.000 Euro und am 31. Dezember 11.000 Euro wert war, bedeutet dies, dass in einem ersten Schritt die 10.000 Euro mit 1,785 Prozent (2,55 Prozent Basiszins x 0,7) multipliziert werden. Das sind 178,50 Euro und damit deutlich weniger als die 1.000 Euro Buchgewinn des Fonds, die in diesem Beispiel bis zum Jahresende entstanden waren. Deshalb gehen nicht die 1.000 Euro, sondern die 178,50 Euro in die weitere Berechnung ein.
Je nach Fondstyp und Definition im jeweiligen Verkaufsprospekt des Fonds reduziert sich dieser Betrag noch einmal. Bei Aktienfonds mit mehr als 50 Prozent Aktienanteil sind es 30 Prozent, bei Mischfonds mit mindestens 25 Prozent Aktienanteil bleiben 15 Prozent der Erträge von der Steuer verschont. Bei Immobilienfonds mit mehr als 50 Prozent Immobilienanteil sind 60 Prozent der Erträge steuerfrei. Und investiert der Fonds überwiegend in ausländische Immobilien, sind sogar 80 Prozent von der Steuer befreit.
Angenommen, im oben genannten Beispiel handelt es sich um einen thesaurierenden Aktienfonds, der laut Prospekt immer mehr als 50 Prozent Aktienanteil hat, dann beträgt die Vorabpauschale 124,95 Euro (178,50 Euro minus 30 Prozent). Auf diese Vorabpauschale werden Abgeltung- und Kirchensteuer sowie gegebenenfalls Solidaritätszuschlag erhoben. Je nach Religionszugehörigkeit und Einkommen kann die Höhe variieren. In unserem Beispiel gehen wir, wie oben beschrieben, von einem Gesamtsteuersatz von 26,375 Prozent aus. Die Steuer, die zum Jahresbeginn fällig und dem Anleger abgezogen wird, beträgt in diesem Fall 32,96 Euro.
Das obige Beispiel ist bewusst simpel gewählt. Wer für jeden Einzelfall nachrechnen will, was die jeweilige Depotbank ausgerechnet und ans Finanzamt überwiesen hat, stößt schnell an seine Grenzen. Spätestens bei ETF- oder Fondssparplänen sowie bei Käufen und Verkäufen von Anteilen innerhalb eines Jahres wird es richtig kompliziert. Denn dann werden die betreffenden Beträge anteilig für die Zeit berechnet, in denen die Fondsanteile im Depot waren. Dabei gilt das Fifo-Prinzip – also „First in, first out“. Das kann bedeuten, dass Verkäufe mit Käufen verrechnet werden, die Jahre zuvor stattgefunden haben. Auch die Tatsache, dass manche Banken die Steuer nicht einfach aus den Barbeständen der Anleger nehmen, sondern Fondsanteile in der betreffenden Höhe verkaufen und daraus die Zahlungen bestreiten, macht die Sache nicht einfacher. Die gute Nachricht lautet: Anleger müssen sich darüber keine Gedanken machen. Das ist allein Aufgabe der Depotbanken, die die Transaktionen verwalten und zur Berechnung der Vorabpauschalen spezielle Software einsetzen.
Verkaufen Anleger Fondsanteile mit Gewinn, wird die Steuerbemessungsgrundlage beim Verkauf um die in den Vorjahren in Rechnung gestellten Vorabpauschalen gemindert. Verkaufen Anleger ihre Fondsanteile mit Verlust, kommt es ebenfalls zu einer Anrechnung der in den Vorjahren ermittelten Vorabpauschalen. Hierdurch erhöht sich der steuerliche Veräußerungsverlust. Dieser kann wiederum mit anderen Veräußerungsgewinnen aus Wertpapiergeschäften verrechnet werden.
Fazit: Der Gesetzgeber hat sich vor Jahren ein komplexes Verfahren ausgedacht, das ihm regelmäßige Einnahmen garantiert und vor allem den Depotbanken viel Arbeit macht. Auch Finanzberater sind hier gefragt. Viele Anleger haben Fragen zu dem Procedere, das in den beiden vergangenen Jahren in Vergessenheit geraten war. Immerhin können die Fragen der Kunden ein guter Anlass sein, um mit ihnen erneut ins Gespräch zu kommen. Für Berater ist die Vorabpauschale also auch eine Chance.
Vereinfachte Berechnung der Vorabsteuer (ohne Berücksichtigung von Freistellungsaufträgen)*
* Alle Berechnungen und Ergebnisse ohne Gewähr. Die Nutzung des Rechners ersetzt keine steuerliche Beratung.
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